Ein Interview mit Monika Feth
Die neunte Autorin ist Monika Feth. Nun, eigentlich war sie die zehnte Autorin, die zur Autorengruppe hinzugekommen ist, aber – ladys first. Das war schon seltsam, denn es war gar nicht so leicht, die letzte Autorin zu finden. Auf der einen Seite kam mir die Gruppe schon so fertig und geschlossen vor, auf der anderen Seite fehlte mir jemand, der einen ganz neuen Aspekt hineinbringen konnte. Als ich auf Monika Feth kam, war ich sehr aufgeregt, denn ihre Bestseller-Thrillerreihe für Jugendliche um die sympathische Jette ist etwas ganz besonderes. Die Reihe ist spannend, aber gleichzeitig kann man sich in diese Bücher so angenehm hineinkuscheln, mitfiebern, mitdenken! Es war wie das letzte Puzzelstück. Sagt sie ja? Na klar. Und nicht nur das, bei unserem Telefongespräch erkannte ich sofort die Energie ihrer Jette-Figur wieder. Engagiert, hellwach, hartnäckig. Sie hat mich richtig gelöchert. Umso stolzer bin ich, dass sie nun dabei ist und auch meine Fragen beantwortet hat. Danke!
K: Manchmal sind einem die eigene Buchcharaktere näher als reale Menschen. Welcher deiner Buchcharaktere kann dich nachts um 2 Uhr anrufen und um deine Hilfe bitten?
M: Bert Melzig, mein Hauptkommissar, dürfte mich jederzeit wecken, aber der braucht meine Hilfe sicherlich am wenigsten. Er ist mir sehr nahe, ebenso wie Jette und Merle mir nah sind – und natürlich Mina, dieses tapfere Mädchen mit ihren vielen Persönlichkeiten, selbst wenn sie sich für eine Weile zurückgezogen hat, um eine Therapie zu machen. Ich merke gerade, dass ich ewig weiter aufzählen könnte, und am Ende hätte ich jede meiner Figuren genannt. Weil sie mir alle wichtig sind, denn alle sind ja Teil von mir, da sie aus meinem Kopf kommen. Meine Täter liebe ich auch, sehr sogar. Ihr Charisma ist unglaublich. Am Ende von ‚Spiegelschatten‘ habe ich geweint, weil ich meinen Täter nicht retten konnte …
K: Und mit wem deiner Protagonisten würdest du einen – eher gefährlichen – Abenteuerurlaub machen? Kurz: wem vertraust du, wer gibt dir Sicherheit.
M: Das wäre ohne Zweifel Bert. Ihm würde ich alles anvertrauen, sogar mein Leben.
K Tja, nun die unausweichliche Frage: Wenn du eine/n zum Leben erwecken könnest? Wer wäre das?
M: Wieso ‚könntest‘? Meine Figuren leben alle. Sogar Caro gibt es noch … Im Ernst: Sie nehmen für mich tatsächlich eine Art Wirklichkeit an. Mein Mann sagt immer, er habe das Gefühl, als säßen meine Figuren ständig beim Essen mit uns am Tisch. Neulich, als ich wieder von einer Szene erzählte, an der ich gerade schrieb, meinte er, jetzt werde es ihm in unserem Esszimmer allmählich ein bisschen zu eng ;-). Vielleicht erfinde ich mir die Menschen, die ich im wahren Leben leider, leider viel zu selten treffe …
K: Ich habe es ja, glaube ich, schon gesagt, ich mag deine Thriller sehr und besonders gefällt mir, dass sie so realitätsnah sind. Wobei, schon klar, Jette, die alle paar Monate in eine lebensbedrohliche Situation gerät, wäre in der Realität vermutlich schon in psychischer Behandlung. Aber trotzdem: Wir wollen mehr! Wie viele Jette Geschichten schwirren noch in deinem Kopf herum? Kannst du das schon abschätzen?
M: Wenn wir das mit der Realitätsnähe zu eng sähen, gäbe es heute zum Beispiel keine Miss Marple, und das wäre mehr als bedauerlich, denn ich liebe diese kauzige alte Dame, die ständig über Leichen stolpert und jeden Fall mit traumwandlerischer Sicherheit aufklärt. Ich wollte nie eine Serie schreiben, weil Serien oft schrecklich abflachen und verwässern. Meine Jette Reihe ist eher zufällig entstanden, weil ich mich von den Figuren noch nicht trennen mochte und noch Geschichten für sie im Kopf hatte. Die sind noch lange nicht auserzählt. Trotzdem ist da die Lust, mich immer wieder mal in andere Bereiche vorzutasten. So ist zum Beispiel Romy entstanden, die Volontärin bei einer Zeitung ist und ihre Nase immer in Sachen steckt, die sie nichts angehen. Auch hier ermittelt Bert Melzig, der sich inzwischen nach Köln hat versetzen lassen. Und einmal begegnen sich Romy und Jette sogar. Das hat mir richtig Spaß gemacht und eröffnet, wenn man länger darüber nachdenkt, ungeahnte Möglichkeiten. Ich spiele gern mit Inhalt und Form, setze mir gern schwierige Ziele. Ich muss beim Schreiben atemlos sein, sonst wird das nichts …
K: Was ich bewundere: Du schreibst für Erwachsene, Jugendliche, Kinder … Kannst du beliebig umschalten? Also am Vormittag an einem Roman schreiben, am Abend das Kinderbuch beenden?
M: Maxim Gorki hat einmal gesagt, für Kinder müsse man schreiben wie für Erwachsene – nur besser. Das sehe ich auch so. Das Allerschwierigste und Schönste überhaupt ist für mich ein poetisches Bilderbuch. Daran zu arbeiten, gelingt mir auch in der Zeit, in der ich an einem Roman für junge Erwachsene schreibe. Die beiden Welten berühren einander nicht, deshalb ist es möglich. An zwei Romanen gleichzeitig zu schreiben, gelingt mir nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich ohne detaillierten Plan schreibe und die Handlung während des Schreibens entwickle. Da gerieten mir meine Figuren durcheinander, die Raum brauchen, um sich entfalten zu können.
K: Du sagst (in den FAQ) auf deiner Website, dass dir der Roman „Fee“ besonders wichtig ist. Warum gerade dieser Roman? Liegt es mehr am Inhalt oder findest du, dass dir Form und Ausführung besonders gut gelungen sind?
M: In ‚Fee‘ geht es um ein geistig und körperlich schwerstbehindertes Mädchen, das mit zwanzig Jahren an einer unheilbaren Stoffwechselkrankheit stirbt. Das Mädchen hat es wirklich gegeben. Sie lebte in einem Nachbarort. Ich bin ihr leider nie begegnet, hatte nur von ihr gehört. Dann lernte ich eines Tages ihre Mutter kennen, die mir von ihr erzählte. Es hat mich sofort gepackt. Ich habe sofort gewusst: Darüber möchte ich schreiben. Die Mutter war einverstanden und hat mir in langen Gesprächen von ihrer Tochter erzählt. Sie hat mir Fotos gezeigt und die Gegenstände erklärt, die sie zur Pflege gebraucht hatten, und nach etwa einem halben Jahr hatte ich das Gefühl, jetzt so viel über das Mädchen zu wissen, dass ich mit dem Schreiben beginnen konnte. Nach dem letzten Satz habe ich den Computer ausgemacht, mich ins Auto gesetzt und bin zum Friedhof gefahren. Ich habe ihr Grab gesucht und ihr erzählt, dass ich ein Buch über sie geschrieben habe. Da hab ich dann mitten auf dem Friedhof gestanden und geheult. Es war in dieser Zeit für mich so, als hätte ich selbst eine Schwester verloren. Ich habe mit Claire, der Schwester, die ich Fee erfunden habe, getrauert, geweint und gelacht, habe sie und ihren Freund Jost auf ihrer Motorradfahrt durch Schottland begleitet, habe voller Zärtlichkeit ihre Liebesgeschichte erzählt … Das alles und viel mehr ist der Grund dafür, dass dieses Buch mir so kostbar ist.
K: Und abschließend: Welches Buch beschäftigt dich gerade? Wann kommt es heraus und wann … gibt es einen neuen Jette-Thriller?
M: Das ist leider noch top secret. Ich darf aber verraten, dass es wieder ein Jette-Thriller wird und dass das Thema mir selbst Gänsehaut verursacht. Diesmal liebe ich meinen Täter nicht. Ich bin ganz nah bei seinem Opfer. (psst: Auf Monikas FB-Seite gibt es schon ein paar Hinweise.)
K: Danke, Monika, für deine Antworten und die Offenheit!
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