Früher sah das oft so bei mir aus: Ein Kumpel hatte neue und ‘riiichtig teure’ Schuhe. Das hat er besonders sorgfältig und vor allem häufig betont. Wenn sie dann aber ‘alt’ und abgelaufen waren, durfte ich sie vor der Mülltonne retten und weiter tragen. Stolz habe ich anderen Freunden dann erzählt, wie toll die Schuhe sind. Weil: ‘riiichtig teuer’. Meistens ist das aber nicht so richtig bei denen angekommen. Weil mein Kumpel, der mir die Schuhe geschenkt hatte, keinen richtig guten Geschmack hatte. Das hat man dann – jep – an mir gesehen. ‘Riiichtig teure’, alte und, naja … häßliche Schuhe.
Mir hat’s jedenfalls gezeigt, wie wichtig es ist, den Dingen in meiner Umgebung, einen eigenen Wert zu geben. Egal was andere darüber denken. Ich glaube du wirst mißmutig und neidisch, wenn du dir kein eigenes Urteil, über die Menschen und Dinge die dich umgeben, erlaubst.
(Dieser Blogbeitrag ist Teil der Lettering-Workshop-2020-Reihe – alle Posts findest du unter: #1 · #2 · #3 · #4 · #5)
Gebrochene Schrift (a. k. a. blackletter type)
Und da wären wir auch gleich beim Thema: gebrochene Schriften.
Für mich sind gebrochene Schriften ein Schatz, der unter seiner rostigen Hülle ganz hell scheint. Du musst dich bloß um den Rost kümmern, ein wenig davon abtragen, dann siehst du es auch.
Was fühlst du wenn du eine Überschrift oder ein Etikett mit einer solchen Schrift siehst? Exakt – da gibt es eindeutige Assoziationen. Die können sein: altbacken, unleserlich, oder nazi-mäßig.
Ich muss gestehen, dass ich diese Empfindungen auch am Anfang hatte. Also bevor ich mich ausgiebig mit der gebrochenen Schrift beschäftigt habe.
In der diesjährigen Blog-Reihe, möchte ich mit Vorurteilen brechen (ja, denn es sind Vorurteile – leider unbewusste und anerzogene). Mit dieser Schriftgattung kann man richtig viel Spaß haben. Ich habe eine Anleitung für dich, wie du spielerisch mit ihr vertraut werden kannst und am Ende sehen wirst, dass gebrochene Schriften nicht out sind. Ich denke sogar, dass sie, im positiven Sinne, ein Comeback feiern werden.
Was bedeutet eigentlich ‘gebrochen’?
Gebrochene Schrift – das Werkzeug
Bevor ich dir die Form erkläre, ist es interessant, zu schauen, mit welchem Malwerkzeug sie entsteht. Vor Jahrhunderten haben wir angefangen mit an der Spitze abgeflachten Stiften zu schreiben. Dadurch entsteht ein Kontrast, der uns Menschen sooooo viel Spaß bereitet hat, sodass wir diese Eigenschaft heute noch in der Schriftgestaltung nutzen. Wenn ich mit der breiten Seite der Feder schreibe, wird der Strich dick und wenn ich mit der schmalen Seite schreibe, wird er dünn.
Die sogenannte Breitfeder (broadnib). Die kannst du oldschool in Tusche tauchen. Oder du holst dir einfach einen Stift, der vorne abgeflacht ist.
Die Formen
Wie gesagt: Wenn du mit der Breitfeder schreibst, entsteht ein Dick-Dünn-Kontrast. Diesen Kontrast findest du ebenso in ungebrochenen Schriften, wie der heute weit-verbreiteten Antiqua, in der die meisten unserer Bücher gesetzt sind.
Aus diesen ‘einfachen’ entstehen schnell gebrochene Formen. Zum Beispiel, wenn du probierst ganz klein und dicht mit der Breitfeder zu schreiben.
Probier es selber mal. Schreibe mit einer Breitfeder, oder einem abgeflachten Marker ein paar Buchstaben groß auf’s Papier:
… Die Formen sind hier rundlich, Antiqua-mäßig. Unter anderem, weil du viel Platz hast. Im nächsten Schritt kannst du das Wort etwas kleiner schreiben. Dadurch wird alles dichter:
Und als letztes kannst du versuchen deine Buchstaben so klein wie möglich zu schreiben. Aber achte darauf, dass die Weißräume innerhalb der Buchstaben nicht zulaufen:
Hier siehst du, dass das kleingeschriebene Wort die Anmutung von einem Caro-Muster hat. Runde Elemente werden in diesem kleinen Sketch auf jeden Fall eckiger. Die Schrift wirkt schon ziemlich gebrochen im Gegensatz zum ersten.
Also, die Antiqua-Schrift …
… besitzt eine schöne Rundlichkeit (hier orange angedeutet):
Die gebrochene Schrifte hingegen …
… bekommen durch bewusstes Unterbrechen der schwungvollen Striche ein Eckigkeit:
Das Ganze wird durch die Breitfeder sehr schön verstärkt. Hier nochmal etwas vereinfacht. Mit Fineliner würde ich so arbeiten, dass ich dort, wo die orangen Punkt eingezeichnet sind, neu ansetze und so Winkel entstehen.
Gebrochene Schrift – die Variationen
Hier entsteht das eigentliche Elixier dieser Blog-Reihe.
Wenn du eine einfache Antiqua-Form eines Buchstabens brichst, kann das auf unzählige Arten geschehen. Und damit meine ich Massen.
Im nächsten Beitrag legst du praktisch los. Step-by-Step, so wie im Lettering Workshop vom letzten Jahr.
Falls du den noch nicht kennst, hier sind alle Teile:
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