Heute möchte ich eine besondere Kategorie autobiographischer Texte vorstellen. Den autobiographischen Reisebericht oder besser die autobiographische Reiseerzählung. Was wäre da geeigneter als die erfolgreichste Reisererzählung des letzten Jahrhunderts. »Ich bin dann mal weg« von Hape Kerkeling. Im Sommer 2001 hatte Kerkeling sich auf den berühmten Jakobsweg nach Santiago de Compostela gemacht. Das Buch ist dann 2006 bei Malik erschienen.
Im Piper/Malik Verlag steht Kerkelings neben vielen anderen großen Reiseabenteuererzählungen. Etwa den Büchern von John Krakauer oder Reinhold Messner. Die unter anderem von ihren Erfahrungen als Extrembergsteiger erzählen.
Kerkeling schildert in seinem die Erfahrungen, die er auf seiner Pilgereise gemacht hat. Es stand 103 Wochen lang, also fast genau zwei Jahre, auf Platz eins der Spiegel Bestsellerliste.
Im Klappentext heißt es
Es ist ein sonniger Junimorgen, als Hape Kerkeling, bekennende couch potato, endgültig seinen inneren Schweinehund besiegt und in St.-Jean-Pied-de-Port aufbricht. Sechs Wochen liegen vor ihm, allein mit sich und seinem elf Kilo schweren Rucksack: Über die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen, durch das Baskenland, Navarra und Rioja bis nach Galicien zum Grab des heiligen Jakob, seit über tausend Jahren Ziel für Gläubige aus der ganzen Welt. Mit Charme, Witz und Blick für das Besondere erschließt Kerkeling sich die fremden Regionen, lernt er die Einheimischen ebenso wie moderne Pilger und ihre Rituale kennen. Er erlebt Einsamkeit und Stille, Erschöpfung und Zweifel, aber auch Hilfsbereitschaft, Freundschaften und Belohnungen – und eine ganz eigene Nähe zu Gott. In seinem Buch über den Wert des Wanderns zeigt der beliebte Spaßmacher, wie er auch noch ist: abenteuerlustig, weltoffen, meditativ.
Reiserzählungen gibt es seit der Antike
Es lassen sich eher in wissenschaftlich und literarisch orientierte Texte unterscheiden. Sie berichten von fremden Ländern, Kulturen und Menschen. Aber oft auch von den manchmal strapaziösen oder gefährlichen Abenteuern des Reisens selbst.
Im Gegensatz zu sachlichen Reiseberichten geht es in autobiographischen Reiseerzählungen nämlich um die Erfahrungen und Erlebnisse des Reisenden selbst.
Das erzählende Subjekt ist das Zentrum der Erzählung.
Auch bei Hape Kerkeling. Er schreibt während der Reise eine Art Tagebuch. Wie in vielen anderen Reiseerzählungen geben ihm die einzelnen Stationen der Reise die Gliederung des Textes vor. jedes Kapitel beginnt mit einer Datumsangabe, den Namen der Orte die an dem Tag erreicht werden und schließen mit einer Erkenntnis des Tages ab.
Nur selten weicht er von dem tagebuchartigen, chronologischen Ablauf ab, etwa wenn er sich über »schwulenfeindliche« Auslassungen der CSU aufregt, die er in einem Artikel in der »geliebten« Süddeutschen findet. Oder wenn er in einem langen Einschub über den Beginn seiner Karriere erzählt und den großen Einfluss, den Otto Waalkes für seinen frühen Erfolg hatte. Sicher etwas, über des er in der Einsamkeit des Weges meditiert haben mag, das sich er aber vermutlich nicht unbedingt in derartiger Ausführlichkeit noch einmal in einem Tagebucheintrag in Erinnerung rufen muss. Sondern eine Passage, die er für die interessierte Leserschaft eingeflochten hat.
Die innere Reise
Ansonsten berichtet von den Strapazen des Weges, den körperlichen Wehwehchen, den Begegnungen mit Einheimischen und anderen Pilgern. Und es ist immer die subjektive Perspektive, sein Empfinden, seine Gefühle bei jeder Begegnung um die es geht. Und das macht er gut in einem lapidaren, ernsten, selbstironischen Duktus.
Von Anfang an macht er deutlich, dass es ihm auch um eine innere Reise geht. Es ist aber auch eine spirituelle Reise auf der Suche nach so etwas wie Gott. Kerkeling hatte mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Von Ferne könnte man einen Burnout vermuten, der sich schon in körperlichen Symptomen manifestiert hatte. Er nimmt gewissermaßen mit dieser Pilgerreise Strapazen auf sich, um sich zu erholen und zu sich selbst zu finden, wie er schreibt.
Everyman
Der Erfolg von Kerkelings Buch liegt ohne Zweifel auch an seiner Bekanntheit als einer der großartigsten deutschen Fernsehkomiker. Ich vermute allerdings, dass das nicht alles ist. Was Kerkelings abenteuerliche Reise so attraktiv macht ist, dass sie bei allen Strapazen, Anstrengungen und Erfahrungen, so alltäglich, so möglich, so machbar erscheint. Kerkeling ist ein Jedermann, er ist nicht der Explorer oder Hero, wie Messmer, der das Unmögliche versucht. Etwas, dass noch nie jemand vor ihm gemacht hat. Er durchsteigt die Rupalwand, übersteigt den Nanga Parbat, verliert seine Zehen, besteigt als erster allein und ohne Sauerstoff den Mount Everest und, und, und …
Kerkeling läuft kilometerweit durch das sommerliche Spanien. Ihm tun die Füße weh. Oft geht er allein und bekommt nicht immer einen Café con leche. Er schläft gerne mal im Hotel, läßt fünf gerade sein und fährt auch mal ein Stück mit dem Bus. Er erlebt viel schönes, ist genervt von nervigen Leuten, sieht sich manchmal in ihnen gespiegelt. Nette Zufälle ereignen sich, die an kleine Wunder grenzen. Übt sich wie so viele im Law of attraction und bittet das Universum um kleine Gefallen, wie wir es alle mal machen.
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