„Ein Leuchten“ von Jon Fosse
„Ein Leuchten“ von Jon Fosse ist ein schmales Bändchen, nicht mal 80 Seiten lang und im Rowohlt-Verlag erschienen.
Zu meiner Freude ist Jon Fosse mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden. Schon lange bin ich Fan seiner mäandernden Texte. Seien sie extrem lang wie in der gerade komplett auf deutsch erschienenen Heptalogie, übrigens einmal mehr grandios übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, oder nur knapp über 100 Seiten lang wie etwa die Erzählung Morgen und Abend.
Fosse ist der Meister der Wiederholungen. Er lässt Situationen und Gedanken umeinander kreisen. Immer wieder wiederholt er fast wortwörtlich ganze Passagen. Immer wieder scheint er am gleichen Punkt anzukommen. Doch dann, beinahe unmerklich, entwickeln sich in spiralförmigen Bewegungen, unerwartete, in ihrer Banalität tiefgründige, Überlegungen. Zum Tod, zur Religion, zur Kunst, zur Liebe, zur Sucht, zum Leben.
Stilmittel
Wiederholungen und Langsamkeit sind die herausragenden Mittel mit denen Fosse die Wirklichkeit transzendiert. Immer und immer wieder schauen seine Protagonisten und damit auch wir die Leser:innen z.B. auf einen Landspitze im Meer oder auf sich kreuzende Linien auf einem Bild — bis wir hindurchschauen. Die Bilder verschwinden und das Sehen in den Vordergrund tritt.
Immer und immer wieder machen sich seine Protagonisten seitenweise darüber Gedanken, ob sie aus dem Wagen steigen, sich einen zweiten Kaffee kochen, auf den Dachboden steigen sollen … Und auch hier geht es irgendwann nur noch um den Akt des Abwägens, des Überlegens. Dabei ist das natürlich kein diskursives Denken, sondern eben ein spiralförmiges Kreisen.
Damit gelingt es Fosse, die beiden — eigentlich unvereinbaren Pole — seines Schreibens aufzuheben. Auf der einen Seite die melancholische Akzeptanz des Daseins und auf der anderen die unermüdliche Suche nach dem Dahinterliegenden. Dem Transzendenten.
Langsamkeit und Wiederholungen
Auch die Erzählung Ein Leuchten lebt von diesen beiden Polen. Dennoch kann ich Sigrid Löffler nicht zustimmen, wenn sie allen Fosseneulingen, die sich nicht gleich an einen dicken Wälzer wagen möchten, diese Erzählung als Einstieg in sein Werk empfiehlt.
Wenn ich mich recht erinnere ist »Ein Leuchten« das erste Buch Fosses, mit einem gelangweilten Protagonisten. Immerhin bemerkt der seine Langeweile und versucht, ihr zu entkommen, indem er solange mit dem Auto durch die Gegend fährt, bis er auf einem verschneiten Waldweg steckenbleibt. Er versucht der langweiligen Realität zu entkommen, allerdings ohne sich auf die Suche zu machen. Mag sein, er sucht unwissentlich den Weg aus der Langeweile in den Tod. Sozusagen einen Suizid, ohne sich umbringen zu müssen. So lässt sich immer tiefer in den Wald saugen. Torkelt ziel- und auch gedankenlos durch das kurze Büchlein von einer halluzinierten Begegnung zu nächsten. Leider sind die auch keineswegs so subtil, wie man es von Fosse gewohnt ist. Er hört die Stimme Gottes, »ich bin, der ich bin«. Und trifft die Geister seiner Eltern. Er folgt einer weißen Gestalt, ja wohin? In die Langeweile?
Fazit
„Ein Leuchten“ ist ein leider missglücktes Buch.
„Ein Leuchten“ von Jon Fosse
- Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel.
- Rowohlt Verlag, Hamburg 2023.
- 80 Seiten
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