Rezension

„Und alles so still“ von Mareike Fallwinkl

9. Oktober 2024
Rezension Red Bug Culture
„Und alles so still“ von Mareike Fallwinkl

Seit Mai, also kurz nach Erscheinen des Buches, liegt dieser Blogbeitrag im Entwurfsstadium herum. „Und alles so still“ von Mareike Fallwinkl war ein Buch, von dem ich mir sicher war, dass ich es gerne lesen und positiv besprechen werde.  Ja, natürlich! Das ganze Thema Care-Arbeit ist so wichtig und so angesagt. Und dieser tolle Teaser (Credits zu denjenigen, die ihn erdacht haben):

„An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.“(Klappentext von Rowohlt-Verlag)

Ja, das will ich sofort lesen. Die Frauen verweigern die Arbeit. Wie spannend! Ich will lesen, wie die Welt auf die Verweigerung reagiert, wie alles aus den Fugen gerät.

Doch irgendwie muss ich offenbar vorher durch Vieles hindurch. Seltsame Sexszenen, kleine literarische Miniaturen, wenn die Gebärmutter spricht oder die Pistole, lange Beschreibungen von jemanden, der im Krankenhaus arbeitet. Gut recherchiert aber – warum? Muss ich tatsächlich mehr über Care-Arbeit lernen?

Who cares?

Moment mal, ich hatte eine Mutter, Großmutter und ich bin Mutter. Ich habe Bekannte, die im Krankenhaus arbeiten aber natürlich, ist es nicht meine Welt. Ich sitze am Schreibtisch und schreibe. Wie Mareike Fallwickl. Die mir aber jetzt dringend sagen möchte, was ich alles nicht weiß. Nicht so genau. Noch eine Schilderung von Care-Arbeit. Was haben die schmuddeligen Sexszenen mit Care-Arbeit zu tun?

Nein, beruhigt mich die Gebärmutter, warte ab, es wird alles Sinn machen. Erst einmal musst Du VERSTEHEN. Langsam bin ich ungeduldig und auch etwas genervt. Das Buch heischt nach literarischer Anerkennung, aber – es trifft mich nicht. Weder im Herz noch im Kopf. Ich warte auf den Aufstand der Frauen, den Moment, der mich interessiert mit dem mich der Klappentext gehookt hat.

Wofür oder für wen?

Ich merke, dass dieser Roman mich nicht braucht. Er ist auf einer Mission. Er will etwas reißen in der literarischen Welt, politisch und er will vielen Menschen gefallen, die sich gerne aufregen. Er dient dem Narrativ über die Autorin, aber nicht mir. Okay. Ich bin draußen. Ich bin bestimmt auch jemand, der zu wenig über Care-Arbeit weiß. Stimmt nicht. Noch dazu habe ich dafür gekämpft, dass mein Vater und mein Freund und mein Sohn berhaupt alle Männer, die ich treffe, sich aktiv an der Care-Arbeit beteiligen. Und sie tun es.

Fazit

Ich hatte die Wahl, dieses Buch nicht zu rezensieren, es zu ignorieren oder mich aufzuregen. Es ist das Letztere geworden. Was mich stört: Das Buch ist seiner Zeit nicht voraus, sondern biedert sich beim Mainstream an. Es blendet eine wohlhabende Gesellschaftsschicht, in der die Care-Arbeit bezahlt wird, aus und konzentriert sich auf die Opfermentalität einer Mittel- und Unterschicht. Es klingt populistisch, doch gleichzeitig bemüht literarisch, was es schwierig macht, ihm Populismus vorzuwerfen. Dafür ist es zu gut geschrieben. Es macht mich ärgerlich, weil es nicht an Lösungen interessiert ist, sondern ganz laut EGO schreit. Es ist nicht mein Buch, ganz eindeutig.

„Und alles so still“ von Mareike Fallwinkl
  • Verlag: Rowohlt
  • ISBN:9783498002985
  • Preis: 23,00 € (EUR)
  • Seiten: 368

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