Liebe Autor*innen, liebe Leser*innen, heute geht es in der Reihe über autobiographisches schreiben um die Graphic Novel Atem holen. Das ist in mehrfacher Hinsicht etwas sehr Besonderes und in mehrfacher Hinsicht ein Beitrag in eigener Sache.
Denn Atem holen ist erstens 2012 in unserem eigenen Label Red Bug Books erschienen. Zweitens auch von uns, d.h. von Katrin Bongard und mir geschrieben und gezeichnet. Und dritten geht es natürlich auch um uns.
Umkreisen als Methode
Ich habe das Buch für heute ausgesucht, weil ich glaube, dass man daran sehr gut sehen kann, wie man ein Ereignis, ein Erlebnis, einen Einschnitt in sein Leben, gestalterisch verarbeiten kann, in dem man es umkreist. Unterschiedliche Aspekte beleuchtet. Sie nebeneinander stellt.
In diesem Fall mit Text und Bildern, die sich ergänzen. Kommentieren. Widersprechen.
Rahmenhandlung als Gliederungselement
Der Band gliedert sich in eine Rahmenhandlung und sieben Kapitel. Vor jedem Kapitel ist eine Seite mit der Rahmenhandlung eingefügt. Sie reflektiert den Schreib-und Gestaltungsprozess selbst, kommentiert den Fortgang der Arbeit und strukturiert das Buch.
Worum geht es in dem Album?
An einer Stelle seines Lebens macht der Protagonist, nämlich ich, die Erfahrung, einer überraschenden Krankheit. Die Luft bleibt weg, jeder Schritt wird zur Qual, Treppensteigen unmöglich. Das Bett verlassen geht nur mit Unterstützung. Abgeschnürt, erdrosselt, ertrunken, erstickt.
Die Reise des Helden …
beginnt auf den Knien.
Die Kapitel suchen nach den Ursachen, den Parallelen, den Ängsten, der Panik. Aber auch nach Hilfe und Genesung.
Ist das genetisch, ererbt, abgeschaut? Wie haben die Vorfahren gelebt, wie sind sie gestorben? Wie habe ich das erlebt?
Welche äußeren Ursachen könnte es für diese Krankheit geben?
Der Steinstaub unter Tage? Der Asbest im Palast der Republik?
Bilder tauchen auf. Wortwörtlich aus dem Unbewussten. Und auf dem Bildschirm. Gedanken werden zugelassen. Alles wird sortiert. Bilder kombiniert. Ergeben neuen Sinn. Das Umkreisen erweist sich als eine sehr gute Methode. Nicht nur, wenn man – wie wir hier – mit Bildern arbeitet, sondern auch, wenn man »nur« Text schreibt.
Umkreisen, Assoziationen schaffen, zulassen, erkennen ist vielleicht oft die angemessenere Methode, ein Ereignis zu erfassen als eine lineare Erzählung. Die Dinge passieren nicht einfach nacheinander und nie aus nur einem Grund. Die Welt der Ursachen und Wirkungen ist oft so komplex und chaotisch, dass sie sich mit einfachen Konjunktionen wie, weil, obwohl, während, trotz, denn, statt nicht darstellen lässt, ohne extrem zu vereinfachen.
Wie fühlt es sich an?
Oft sitze ich, auf der Bettkante. Im Kutschersitz. Keine Panik, ruhig atmen. Weiter Luft holen.
Keine Luft zu bekommen, ließ bei mir immer wieder das Bild auftauchen, ins Eis einzubrechen. Unter das Eis zu geraten. Der Versuch sich freizukämpfen, aufs Eis, ans Ufer, an die Luft.
Die Kombination der beiden Bilder ergibt etwas neues. Ich sitze über dem Bild desjenigen, der sich aus dem Eis befreit. Ich beobachte. Beobachte mich. Bekomme Abstand. Das ist, was gerade passiert. Und das passiert durch die Arbeit an dem Buch. Durch das Kombinieren, Assoziieren, Zulassen. Durch das Bild kann ich mich distanzieren. Beobachten, neugierig. Was passiert? Der erste Schritt zum Meditieren.
Was kann ich tun, um zu heilen? Zum Arzt gehen, Chinesischen Tee trinken, Meditieren.
Wieder taucht ein wunderbares Bild auf. Die Heilung. So sieht sie also aus.
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