„Ein Dandy in Aspik“ von Derek Marlowe
„Ein Dandy in Aspik“ von Derek Marlowe ist ein Klassiker. Neu verlegt im Elsinor Verlag in der Übersetzung von Übersetzung Erika Nosbüsch. Ein Spionage-Roman, ein Krimi, den Marlowe 1966, in vier Wochen, während eines Stipendiums in Berlin schrieb. Der Roman entwickelte sich damals schnell zum Bestseller und wurde verfilmt. Marlowe nennt die vier Jahre seines großes Erfolgs die womöglich besten seines Lebens.
Ich war sehr neugierig zu sehen, wie dieser Roman altert. Das Thema – Spionage – war in den 60er Jahren angesagt, also eine gute Themenwahl zu der Zeit, aber gibt es auch etwas, das abseits des Themas begeistert? Der Namen klingt im Deutschen wesentlich sperriger als im Englischen und – ehrlich – ich hätte das Buch nie nach dem Titel ausgewählt. Doch ich wurde positiv überrascht,
Das Erstaunlichste für mich war, wie gut die Atmosphäre der 60er Jahre eingefangen wurde, die ich nur aus 60er Jahre Filmen, alten James Bond-Filmen oder Schwarz-weiß-Filmen von Godard kenne. Die laszive Partystimmung, das Beiläufige, das nicht wirklich geklärte Verhältnis von Frauen in der Gesellschaft (noch eher Muse, Mätresse oder Hausfrau als selbstbewusste Karrierefrau), das Trinken und Rauchen (a la „Madman“), die Verklemmtheit und die Toleranz, eine wilde Mischung, bei der man die Beatles, Rockmusik und fränzösische Chansons gleichzeitig im Hintergrund hört.
Die Roaring Sixties. Und dann dieser seltsame Hauptcharakter, Eberlin, ein Mann mit Gentleman-Vibes, aber anders als James Bond innerlich zerbrochen, müde, am Ende. Uninteressiert an seiner Tätigkeit als Doppelagent und Auftragskiller, einfach nur erschöpft vom Leben, das er nicht selbst bestimmen kann. Im Grunde will er – nach Hause.
Psychologischer Krimi
Dass man aus so einem Leben nicht einfach aussteigt, ist auch klar und so entsteht schon im ersten Abschnitt eine Spannung, die nichts mit all den Elemente zu tun hat, die eine sonst in einem Krimi beschäftigen – Gefahr, Verfolgung., Lügen – alles liegt weit offen, doch es ist die Psychologie des Hauptcharakters, die einen in Anspannung hält. Wie löst Eberlin sich aus seiner Lebenssituation?
Eberlin verbrachte die beiden folgenden Tage des Wochenendes voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Er hob die selbst auferlegten Regeln der Etikette auf, gab dem Diener drei Tage frei, rasierte sich nicht und trank eine ganze Flasche Emva Cream Sherry, die er hinter dem Schuhputzzeug versteckt gefunden hatte. Die ganze Tragweite dessen, was am Freitag geschehen war, wurde ihm spät am Abend des gleichen Tages so recht bewusst. (S. 50)
Die Sprache/der Ton
Besonders hat mir der lapidare Ton der Erzählung gefallen. Dieser leicht ironische Abstand zu allem, das Eingeständnis, dass alles gesagt und geschrieben ist und man daher auch einfach eine leicht verrückte Geschichte über einen russischen Doppelagenten erzählen kann.
Einmal verbrachte er eine ganze Stunde damit, jedes Hemd, das er besaß, anzuziehen, bis er es müde war und in einem Berg von Hemden stand. «Mein Fehler», murrte er und verließ das Zimmer. ( S. 51)
Die Übersetzung, die soweit ich es verstanden hat, die Übersetzung der dt. Ausgabe aus dem Ende der 60er Jahre ist, ist sehr elegant und angenehm. Einsehe gute Entscheidung, nicht neu zu übersetzen, da auch die Übersetzung gut gealtert ist.
Der Autor
Derek Marlowe (1938–1996) schrieb neun Romane und später Drehbücher und Scripts für Fernsehserien. Marlowe bezeichnet seinen Roman: „A Single Summer With L.B.“ als sein bestes Buch, doch die grandiose Mischung aus Zeitgeist, perfekter Themenwahl und einem frischen Ansatz im Genre Spionageroman, die seinen ersten Roman erfolgreich machte, konnte er nie wiederholen.
Sehr interessant sind die Nachworte von Martin Compart (ehemaliger Herausgeber für Krimi-Reihen bei Ullstein, Bastei-Lübbe, Dumont und Strange.) und Dr. Rolf Giesen (seit Jahrzehnten einer der namhaftesten Filmwissenschaftlern). Sie runden das Leseerlebnis mit Einblick in die Entstehung des Romans, Marlowe Leben und die Verfilmung des Stoffes ab.
Fazit
Wer sich für Literaturgeschichte und Filmwissenschaft interessiert ist hier genau richtig. Wenn man dem Roman vergibt, das er 1966 noch nicht woke sein konnte, dann kann man ihn erstaunlich gut lesen. Der Stil ist flüssig und klar und hat einen Hauch von Ironie, den ich besonders in Krimis und Thrillern sehr schätze. Dabei ist es eben kein typischer Krimi, sonder erinnert eher an die Bücher von Patricia Highsmith.
„Ein Dandy in Aspik“ von Derek Marlowe
232 Seiten Klappenbroschur
€ 20,00 [D]
ISBN 978-3-942788-74-8
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