Das ist wieder mal ein sehr gelungener, sinniger und locker dargestellter Beitrag zum Thema ‚Schriftstellerei‘ – in Bezug auf Wunsch, Absicht und Wirklichkeit. Besonders der letzte Punkt ‚Entspannen‘ finde ich persönlich gut. Man kann auch Freude am Schreiben haben, ohne den Zwang, unbedingt aus seinen Phantasien, Ideen, Erfahrungen,Notizen, Fragmenten, Briefen, gleich ein Buch veröffentlichen zu wollen.
Ich weiß wovon ich hier schreibe, denn einst, in meinen Jugendjahren, hat ich auch solche Schriftstellerträume, angeregt durch das Lesen von Tchechow, Dostojeweski, Mark Twain, Joseph Conrad, Baudelaire, Hemingway, Patricia Highsmith… sowie vielen anderen Autoren. Joseph Conrad’s ‚Taifun‘ wurde dann maßgeblich für meinen Berufswunsch, den ich gegen alle Widerstände durchsetzen konnte. Genau das, wie du auch schreibst: Ich wollte was erleben, die Welt sehen, selber ein kraftvolles, blutvolles Leben inmitten all der Herausforderungen führen, keinen Roman lesen, auch keinen schreiben, sondern mein Leben selber so reichhaltig, oder noch reichhaltiger machen als etwas ‚Erdachtes‘, ‚Konstruiertes‘ , ‚Recherchiertes‘ es je mir bieten könne.
Es ist mir gelungen. Ich habe 6 Jahre lang fast die ganze Welt gesehen, nicht als Tourist sondern auf Augenhöhe mit den Menschen, ihren Leiden und Nöten in der dritten und vierten Welt. Außerdem lebte ich 2 Jahre in Griechenland, in einem kleinen Dorf, 1 Jahr in Kalifornien mit Jobs beim Filmen. Übte insgesamt drei Berufe aus, vom Gelegenheitsjob in der Großmarkthalle bis zum Operations-Controller bei Lufthansa, als Versuchs-Mechaniker oder als selbständiger Großhandelskaufmann.
Nach kurzer Zeit begann ich meine Arbeit zu lieben,denn immer hatte ich es mit Menschen zu tun! Sie eröffneten mir ganz andere Einblicke in ihre seelischen Nöte, ihre Spleens aber auch ihren Talenten. ihrem Versagen oder auch ihren Tollkühnheiten. Das hätte ich niemals recherchieren oder ausdenken, phantasieren können. Und weil ich meine Arbeit liebte, liebte und liebe ich auch das Leben. So wie du auch schreibst: Ich muss darüber ja kein Buch schreiben, aber ich könnte es. Vielleicht tu ich es einmal, aber dann gewiss nicht unter dem Druck damit Geld verdienen, oder berühmt werden zu wollen.
Manchmal juckt es mich, manchem jungen Schriftsteller-Talenten zu zurufen: Stürzt euch erstmal hinein ‚ins volle Menschenleben…‘ (Goethe) schaut, hört zu, leidet, arbeitet, liebt mit allen Sinnen – und dann schreibt es mal auf, für euch, eure Freunde die danach fragen. Schreiben macht Freude, sowie jegliche Kunstausübung, wie Musizieren, Malen, Gestalten, wobei bei diesen Künstlern nicht der dringende Wunsch vorherrschst, berühmt werden zu wollen. Wenn dazu bei Wenigen noch ‚Erfolg‘ hinzu kommt, so ist das unter ‚Lebensglück‘ zu verbuchen. Und Fortuna lässt sich kaum zwingen…
Ein Buch kann man nach meinem Dafürhalten nicht planen, plotten, konstruieren. Na ja, schon, aber was dann herauskommt hat auf dem überquellenden Buchmarkt kaum ein Chance.
Hi Roland,
danke für deinen ausführlichen und interessanten Kommentar. Wow, was für ein Leben! Ich stimme Dir in (fast) allem zu, denn natürlich kann man einen Roman planen ;) Aber ich denke, ich weiß, was Du meinst: Man sollte dem Buch ein Herz und eine Seele geben, und das hat nichts mit Struktur und Plotpoints zu tun. Und ja, ich finde auch gut, wenn man in einem Buch spürt, das und was für ein starkes Leben der Autor gehabt hat, seine eigene Stimme, sein Rhythmus, seine Erfahrung.
danke für Deine Komplimente bezüglich über das Glück meiner Erlebnis und Erkenntnis-reichen Vita. Das war erst mein Wunsch, durch Lesefreude angeregt, dann wurde es zur Absicht. Aber anstelle einen Lebensroman schreiben zu wollen, wollte ich erst mal das Leben erkunden, und da ich abenteuerlustig war (Schuld war Mark Twain u.a.) wollte ich das, was ich las, selber (er-)leben. Dazu hatte ich schon alle Geisteskräfte und Körperkräfte zu bemühen, um erst mal zur See fahren zu dürfen, dann die teilweise lebensbedrohlichen Fährnisse, die raue Männerwelt der Matrosen auszuhalten, mit dem Elend in den besuchten Häfen seelisch fertig zu werden. Aber etwas wunderbares geschah: Ich lernte dieses Leben unter den harten Bedingungen lieben, meinen Beruf lieben und die Menschen, die mir so hautnah Einblicke in ihre menschlichen Schwächen, Abgründen, aber auch Begabungen, unerwarteten Neigungen ermöglichten.
Natürlich kann und darf jeder der die dringende Absicht hat ein Buch schreiben zu wollen das auch tun. Das notwendige Handwerk kann man sehr gut in den reichlich zur Verfügung stehenden Schreibwerkstätten, Schreibprogrammen und u.a. auch aus Deinen Blogs erlernen. Das ist immer gut und schärft die Sinne für die kommenden Schwierigkeiten. Aber es ist wie beim normalen Handwerk. Ein Meister ist man deshalb noch nicht Und selbst manche Handwerksmeister sind nicht unbedingt kreativ. Darum geht es aber bei Büchern, das erwarten die Leser. Bücher wollen verkauft werden, also landen sie auf einem Markt. Ich sehe (und lese kaum) bei den oft noch sehr jungen und wenig Lebenserfahrenen Talenten, dass ihre Recherchen sich auch mit ihren Marktmöglichkeiten befassen.
‚Wer was zu sagen hat, soll auch darüber schreiben, das ist schon viel….‘ soweit ein Goethe Zitat, wenn ich mich recht erinnere. Wer künstlerische Neigungen hat, soll sich entfalten. Künstler sind die Blumen im Gräsermeer des Lebens, das ist ihr Lohn. Wenn zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, die richtigen Menschen getroffen … und was zeitgemäß Nervtreffendes geschrieben wird, dann entsteht auch, manchmal und nicht immer, ein Markterfolg. Was ich jedem Schriftsteller von Herzen wünsche.
Roland,
ich denke, Du bist wirklich soweit, einen Roman zu beginnen. Natürlich will man über so ein Leben mehr erfahren! Und ja, Handwerk UND Lebenserfahrung sind die perfekte Mischung. Ah, Hemingway! Und das mit den Marktchancen … was hat der Agent von J.K. Rowling zu ihr gesagt: Sie müsse sich darauf einstellen, dass man mit Kinderliteratur kein Geld verdienen kann. Jep. Da lag er ja wohl genau richtig ;)
ich schätze deinen Blog sehr, auch weil mir Dein unverkrampfter Schreibstil sehr gefällt, vergesse dabei aber nicht, dass Du ja Protagonistin in Deinem Werken fürs Bücherschreiben bist. Sehr gefällt mir dabei Dein Augenzwinkern, das gibt den Antworten gewisse Leichtigkeit. So will ich auf gleiche Weise ;) ;) zu den dargestellten Ausnahmen die Gegenfrage stellen: Wie viel Neuerscheinungen gibt es jährlich, wie viel AutorInnen haben durchschlagenden finanziellen und Berühmtheits- Erfolg?
Da ich länge auch in den USA gelebt habe, wo jeder daran glaubt, wenn er nur hart genug arbeitet kann er es ‚vom Tellerwäscher bis zum Millionär‘ oder wie gehabt: vom Schauspieler bis zum US-Präsidenten bringen, geschweige denn wie Allerneustens vom Politclown ins Weiße Haus….
habe ich auch die andere Seite der Medaille kennengelernt. Einer, oder zwei, manchmal auch drei aus diesen Unterschichten schaffen es, aber Hundertausende, Millionen bleiben Tellerwäscher, zweit- bis drittklassige Schauspieler, oder dummschwätzende kleine Politiker.
Diese Motivations-Methode ‚jeder kann es schaffen‘ kommt, wie Vieles, Zweifelhaftes, eben aus dem Mutterland des Raubtier-Kapitalismus. Mir liegt, wie Du von Deiner Mutter schreibst, die Literatur, die Schriftsteller-Kunst am Herzen. Das hat wenig zu tun diese auf ein Podest zu stellen, es ist einfach die Wertschätzung dafür. Ich persönlich frage mich: Was habe ich zu sagen, wen interessiert das über einen gewissen Unterhaltungswert hinaus eigentlich, dient es nur meinem Ego, das sich dann mit dem Titel ‚Autor‘ schmücken kann?
Nichts gegen das Schreiben als Kunst und die Neigung, die Liebe dazu. Es kommt auf den eigenen Fokus an – und der ist bei mir: Ich könnte es, aber ich muss es nicht. Dann nämlich habe ich die Freiheit wirklich mir vom Herzen und der Seele zu schreiben, was mir wichtig ist. Hierzu erlaube ich mir aus einem Beitrag vom Philosphie Forum Nicolas Dierks zum Thema #Buchpassion# zu zitieren
* * *
(Auszüge)
….Einen einheitlichen Ablauf der Lebensphasen gibt es heute nicht. Eher bewegen wir uns zwischen Lebensweisen wie in einer Großstadt. Es gibt viele Stadtteile, überfüllte Alleen und abgelegene Gässchen. An alten Prachtbauten blättert die Farbe ab, in ehemaligen Sündenpfuhlen tobt die Gentrifizierung. Wir alle sind in dieser Stadt der Lebensweisen unterwegs von irgendwo nach irgendwo. Bücher sind niedergelegte Weltsichten, die Blicke auf Teile der Stadt freigeben – und die ganz unterschiedliche Brücken sein können, je nachdem, von wo man kommt und wohin man will.
Wenn Sie im Buchladen nach guter Lektüre suchen, dann suchen Sie auch nach Weltsichten der für Sie wichtigen Lebensweisen. Manchmal haben wir eine Weltsicht gefunden, bei der wir bleiben wollen und sagen: “Diese Art, die Welt zu sehen gefällt mir – ich lese diese Art von Büchern (diese Autoren, dieses Genre)” Wie ist das bei Ihnen – bleiben Sie eher in bekannten Stadtteilen? Oder trauen Sie sich, auf Entdeckungsreise zu gehen in der Stadt der Weltsichten?
Anders als Filme verlangen Bücher, für längere Zeit in die Weltsicht des Autors einzutauchen. In guten Momenten bricht ein Satz durch das Wörterdickicht, leuchtet auf der Seite hervor, wie für uns geschrieben. Wir tragen ihn mit uns herum, flüstern ihn vor uns hin und hätten ihn am Liebsten als Poster an der Wand. Erinnerungen richten sich an einem bedeutsamen Satz neu aus – wie Metallspäne um einen Magneten.
….
Ich weiß nicht mehr, wann mir zuerst Kafkas Satz begegnete: “Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Lange habe ich ihn so verstanden, das ein gutes Buch im Einzelnen an die Oberfläche bringt, was verborgen, begraben, vergessen in ihm lebt. Doch der Satz sagt mir heute mehr. In der Stadt der Weltsichten unterwegs zu sein, fördert unsere Empathie. Bücher sind ein Mittel gegen soziale Kälte.
….
aber immer noch suche ich Lebensexperimente, immer noch sammle ich neue Perspektiven. Derzeit begeistern mich Handke und Hemingway, Aristoteles und Seneca, Clayton Christensen und Martha Nussbaum. Aber das Buch, das ich am Liebsten lesen würde, das für einen Moment meine Weltsicht ausdrückt und dadurch entwickelt – dieses Buch kann ich nur selbst schreiben.
Ich habe diese Erfahrung mit Was tue ich hier eigentlich? gemacht – …..
(Auszüge aus dem Beitrag ‚Buchpassion‘ von Nicolas Dierks im Philosophie Forum Sept. 16)
* * *
Das hat meine Sichtweise bezüglich Schriftstellerei bestärkt. Ich bin aber immer interessierter, engagierter Leser von dem was sich in diesem Bereich in den Foren tut. Aus Liebe zur Literatur.
Hi Roland,
danke für deine Beiträge. Und die Tipps: Clayton Christensen. Disruptive Technologie. Und Martha Nussbaum! Mit beiden muss ich mich sofort beschäftigen!
6 Comments
Roland Weber
9. November 2016 at 17:49Das ist wieder mal ein sehr gelungener, sinniger und locker dargestellter Beitrag zum Thema ‚Schriftstellerei‘ – in Bezug auf Wunsch, Absicht und Wirklichkeit. Besonders der letzte Punkt ‚Entspannen‘ finde ich persönlich gut. Man kann auch Freude am Schreiben haben, ohne den Zwang, unbedingt aus seinen Phantasien, Ideen, Erfahrungen,Notizen, Fragmenten, Briefen, gleich ein Buch veröffentlichen zu wollen.
Ich weiß wovon ich hier schreibe, denn einst, in meinen Jugendjahren, hat ich auch solche Schriftstellerträume, angeregt durch das Lesen von Tchechow, Dostojeweski, Mark Twain, Joseph Conrad, Baudelaire, Hemingway, Patricia Highsmith… sowie vielen anderen Autoren. Joseph Conrad’s ‚Taifun‘ wurde dann maßgeblich für meinen Berufswunsch, den ich gegen alle Widerstände durchsetzen konnte. Genau das, wie du auch schreibst: Ich wollte was erleben, die Welt sehen, selber ein kraftvolles, blutvolles Leben inmitten all der Herausforderungen führen, keinen Roman lesen, auch keinen schreiben, sondern mein Leben selber so reichhaltig, oder noch reichhaltiger machen als etwas ‚Erdachtes‘, ‚Konstruiertes‘ , ‚Recherchiertes‘ es je mir bieten könne.
Es ist mir gelungen. Ich habe 6 Jahre lang fast die ganze Welt gesehen, nicht als Tourist sondern auf Augenhöhe mit den Menschen, ihren Leiden und Nöten in der dritten und vierten Welt. Außerdem lebte ich 2 Jahre in Griechenland, in einem kleinen Dorf, 1 Jahr in Kalifornien mit Jobs beim Filmen. Übte insgesamt drei Berufe aus, vom Gelegenheitsjob in der Großmarkthalle bis zum Operations-Controller bei Lufthansa, als Versuchs-Mechaniker oder als selbständiger Großhandelskaufmann.
Nach kurzer Zeit begann ich meine Arbeit zu lieben,denn immer hatte ich es mit Menschen zu tun! Sie eröffneten mir ganz andere Einblicke in ihre seelischen Nöte, ihre Spleens aber auch ihren Talenten. ihrem Versagen oder auch ihren Tollkühnheiten. Das hätte ich niemals recherchieren oder ausdenken, phantasieren können. Und weil ich meine Arbeit liebte, liebte und liebe ich auch das Leben. So wie du auch schreibst: Ich muss darüber ja kein Buch schreiben, aber ich könnte es. Vielleicht tu ich es einmal, aber dann gewiss nicht unter dem Druck damit Geld verdienen, oder berühmt werden zu wollen.
Manchmal juckt es mich, manchem jungen Schriftsteller-Talenten zu zurufen: Stürzt euch erstmal hinein ‚ins volle Menschenleben…‘ (Goethe) schaut, hört zu, leidet, arbeitet, liebt mit allen Sinnen – und dann schreibt es mal auf, für euch, eure Freunde die danach fragen. Schreiben macht Freude, sowie jegliche Kunstausübung, wie Musizieren, Malen, Gestalten, wobei bei diesen Künstlern nicht der dringende Wunsch vorherrschst, berühmt werden zu wollen. Wenn dazu bei Wenigen noch ‚Erfolg‘ hinzu kommt, so ist das unter ‚Lebensglück‘ zu verbuchen. Und Fortuna lässt sich kaum zwingen…
Ein Buch kann man nach meinem Dafürhalten nicht planen, plotten, konstruieren. Na ja, schon, aber was dann herauskommt hat auf dem überquellenden Buchmarkt kaum ein Chance.
Nur meine Meinung zum Thema, nix für ungut!
Roland
Katrin
9. November 2016 at 18:40Hi Roland,
danke für deinen ausführlichen und interessanten Kommentar. Wow, was für ein Leben! Ich stimme Dir in (fast) allem zu, denn natürlich kann man einen Roman planen ;) Aber ich denke, ich weiß, was Du meinst: Man sollte dem Buch ein Herz und eine Seele geben, und das hat nichts mit Struktur und Plotpoints zu tun. Und ja, ich finde auch gut, wenn man in einem Buch spürt, das und was für ein starkes Leben der Autor gehabt hat, seine eigene Stimme, sein Rhythmus, seine Erfahrung.
Roland
10. November 2016 at 14:16Hi Katrin,
danke für Deine Komplimente bezüglich über das Glück meiner Erlebnis und Erkenntnis-reichen Vita. Das war erst mein Wunsch, durch Lesefreude angeregt, dann wurde es zur Absicht. Aber anstelle einen Lebensroman schreiben zu wollen, wollte ich erst mal das Leben erkunden, und da ich abenteuerlustig war (Schuld war Mark Twain u.a.) wollte ich das, was ich las, selber (er-)leben. Dazu hatte ich schon alle Geisteskräfte und Körperkräfte zu bemühen, um erst mal zur See fahren zu dürfen, dann die teilweise lebensbedrohlichen Fährnisse, die raue Männerwelt der Matrosen auszuhalten, mit dem Elend in den besuchten Häfen seelisch fertig zu werden. Aber etwas wunderbares geschah: Ich lernte dieses Leben unter den harten Bedingungen lieben, meinen Beruf lieben und die Menschen, die mir so hautnah Einblicke in ihre menschlichen Schwächen, Abgründen, aber auch Begabungen, unerwarteten Neigungen ermöglichten.
Natürlich kann und darf jeder der die dringende Absicht hat ein Buch schreiben zu wollen das auch tun. Das notwendige Handwerk kann man sehr gut in den reichlich zur Verfügung stehenden Schreibwerkstätten, Schreibprogrammen und u.a. auch aus Deinen Blogs erlernen. Das ist immer gut und schärft die Sinne für die kommenden Schwierigkeiten. Aber es ist wie beim normalen Handwerk. Ein Meister ist man deshalb noch nicht Und selbst manche Handwerksmeister sind nicht unbedingt kreativ. Darum geht es aber bei Büchern, das erwarten die Leser. Bücher wollen verkauft werden, also landen sie auf einem Markt. Ich sehe (und lese kaum) bei den oft noch sehr jungen und wenig Lebenserfahrenen Talenten, dass ihre Recherchen sich auch mit ihren Marktmöglichkeiten befassen.
‚Wer was zu sagen hat, soll auch darüber schreiben, das ist schon viel….‘ soweit ein Goethe Zitat, wenn ich mich recht erinnere. Wer künstlerische Neigungen hat, soll sich entfalten. Künstler sind die Blumen im Gräsermeer des Lebens, das ist ihr Lohn. Wenn zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, die richtigen Menschen getroffen … und was zeitgemäß Nervtreffendes geschrieben wird, dann entsteht auch, manchmal und nicht immer, ein Markterfolg. Was ich jedem Schriftsteller von Herzen wünsche.
Ansonsten gilt: L´art pour l´art.
Katrin
10. November 2016 at 22:06Roland,
ich denke, Du bist wirklich soweit, einen Roman zu beginnen. Natürlich will man über so ein Leben mehr erfahren! Und ja, Handwerk UND Lebenserfahrung sind die perfekte Mischung. Ah, Hemingway! Und das mit den Marktchancen … was hat der Agent von J.K. Rowling zu ihr gesagt: Sie müsse sich darauf einstellen, dass man mit Kinderliteratur kein Geld verdienen kann. Jep. Da lag er ja wohl genau richtig ;)
Roland
11. November 2016 at 11:10Katrin,
ich schätze deinen Blog sehr, auch weil mir Dein unverkrampfter Schreibstil sehr gefällt, vergesse dabei aber nicht, dass Du ja Protagonistin in Deinem Werken fürs Bücherschreiben bist. Sehr gefällt mir dabei Dein Augenzwinkern, das gibt den Antworten gewisse Leichtigkeit. So will ich auf gleiche Weise ;) ;) zu den dargestellten Ausnahmen die Gegenfrage stellen: Wie viel Neuerscheinungen gibt es jährlich, wie viel AutorInnen haben durchschlagenden finanziellen und Berühmtheits- Erfolg?
Da ich länge auch in den USA gelebt habe, wo jeder daran glaubt, wenn er nur hart genug arbeitet kann er es ‚vom Tellerwäscher bis zum Millionär‘ oder wie gehabt: vom Schauspieler bis zum US-Präsidenten bringen, geschweige denn wie Allerneustens vom Politclown ins Weiße Haus….
habe ich auch die andere Seite der Medaille kennengelernt. Einer, oder zwei, manchmal auch drei aus diesen Unterschichten schaffen es, aber Hundertausende, Millionen bleiben Tellerwäscher, zweit- bis drittklassige Schauspieler, oder dummschwätzende kleine Politiker.
Diese Motivations-Methode ‚jeder kann es schaffen‘ kommt, wie Vieles, Zweifelhaftes, eben aus dem Mutterland des Raubtier-Kapitalismus. Mir liegt, wie Du von Deiner Mutter schreibst, die Literatur, die Schriftsteller-Kunst am Herzen. Das hat wenig zu tun diese auf ein Podest zu stellen, es ist einfach die Wertschätzung dafür. Ich persönlich frage mich: Was habe ich zu sagen, wen interessiert das über einen gewissen Unterhaltungswert hinaus eigentlich, dient es nur meinem Ego, das sich dann mit dem Titel ‚Autor‘ schmücken kann?
Nichts gegen das Schreiben als Kunst und die Neigung, die Liebe dazu. Es kommt auf den eigenen Fokus an – und der ist bei mir: Ich könnte es, aber ich muss es nicht. Dann nämlich habe ich die Freiheit wirklich mir vom Herzen und der Seele zu schreiben, was mir wichtig ist. Hierzu erlaube ich mir aus einem Beitrag vom Philosphie Forum Nicolas Dierks zum Thema #Buchpassion# zu zitieren
* * *
(Auszüge)
….Einen einheitlichen Ablauf der Lebensphasen gibt es heute nicht. Eher bewegen wir uns zwischen Lebensweisen wie in einer Großstadt. Es gibt viele Stadtteile, überfüllte Alleen und abgelegene Gässchen. An alten Prachtbauten blättert die Farbe ab, in ehemaligen Sündenpfuhlen tobt die Gentrifizierung. Wir alle sind in dieser Stadt der Lebensweisen unterwegs von irgendwo nach irgendwo. Bücher sind niedergelegte Weltsichten, die Blicke auf Teile der Stadt freigeben – und die ganz unterschiedliche Brücken sein können, je nachdem, von wo man kommt und wohin man will.
Wenn Sie im Buchladen nach guter Lektüre suchen, dann suchen Sie auch nach Weltsichten der für Sie wichtigen Lebensweisen. Manchmal haben wir eine Weltsicht gefunden, bei der wir bleiben wollen und sagen: “Diese Art, die Welt zu sehen gefällt mir – ich lese diese Art von Büchern (diese Autoren, dieses Genre)” Wie ist das bei Ihnen – bleiben Sie eher in bekannten Stadtteilen? Oder trauen Sie sich, auf Entdeckungsreise zu gehen in der Stadt der Weltsichten?
Anders als Filme verlangen Bücher, für längere Zeit in die Weltsicht des Autors einzutauchen. In guten Momenten bricht ein Satz durch das Wörterdickicht, leuchtet auf der Seite hervor, wie für uns geschrieben. Wir tragen ihn mit uns herum, flüstern ihn vor uns hin und hätten ihn am Liebsten als Poster an der Wand. Erinnerungen richten sich an einem bedeutsamen Satz neu aus – wie Metallspäne um einen Magneten.
….
Ich weiß nicht mehr, wann mir zuerst Kafkas Satz begegnete: “Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Lange habe ich ihn so verstanden, das ein gutes Buch im Einzelnen an die Oberfläche bringt, was verborgen, begraben, vergessen in ihm lebt. Doch der Satz sagt mir heute mehr. In der Stadt der Weltsichten unterwegs zu sein, fördert unsere Empathie. Bücher sind ein Mittel gegen soziale Kälte.
….
aber immer noch suche ich Lebensexperimente, immer noch sammle ich neue Perspektiven. Derzeit begeistern mich Handke und Hemingway, Aristoteles und Seneca, Clayton Christensen und Martha Nussbaum. Aber das Buch, das ich am Liebsten lesen würde, das für einen Moment meine Weltsicht ausdrückt und dadurch entwickelt – dieses Buch kann ich nur selbst schreiben.
Ich habe diese Erfahrung mit Was tue ich hier eigentlich? gemacht – …..
(Auszüge aus dem Beitrag ‚Buchpassion‘ von Nicolas Dierks im Philosophie Forum Sept. 16)
* * *
Das hat meine Sichtweise bezüglich Schriftstellerei bestärkt. Ich bin aber immer interessierter, engagierter Leser von dem was sich in diesem Bereich in den Foren tut. Aus Liebe zur Literatur.
Herzlichst
Roland
Katrin
11. November 2016 at 23:04Hi Roland,
danke für deine Beiträge. Und die Tipps: Clayton Christensen. Disruptive Technologie. Und Martha Nussbaum! Mit beiden muss ich mich sofort beschäftigen!