Martin Luther 2017

Martin Luther #18 Erziehung und Schule

4. Mai 2017
Erziehung und Schule

In meinem Beitrag über die großartige Evangelische Grundschule in Potsdam habe ich Luther mit dem Satz zitiert, dass der Kinder Eigenwille soll gebrochen, und sie demüthig und sanftmütig werden müssen. Wenn das so einseitig stehenbleibt, werde ich Luthers Überlegungen zur Erziehung und Schule wohl nicht gerecht. Deswegen möchte ich das hier mit einigen Zitaten ergänzen und zurechtrücken.

Luther war sehr an einer guten Bildung und Erziehung der Kinder interessiert. Und er hat sich des öfteren über die Erziehung von Kindern im Elternhaus und Schule geäußert. Manches davon klingt überraschend „modern“. In seinem Sermon von dem ehelichen Stand appelliert er beispielsweise an die Eltern, ihre Kinder gut zu erziehen.

Aber das solln die eheleudt wissen, das sie gott, der Christenheyt, aller welt, yhn selbs und yhren kindern keyn besser werck und nutz schaffen mugen, dan das sie yhre kinder wol auff tzyhen.

Und die Ratsherren, die er für die Einrichtung öffentlicher Schulen gewinnen will, weist er darauf hin, dass die Kinder, das tolle volck, sich nicht selbst unterrichten können.

Es ist yhe nicht müglich, das sich das tolle volck sollt selbs leren und halten, darumb hat sie uns Gott befohlen, die wyr allt und erfaren sind was yhn gut ist.

Aus eigener Erfahrung

Der nächste Satz klingt noch heute wegweisend.

Weyl denn das junge volck mus lecken und springen odder yhe was zu schaffen haben, da es lust ynnen hat, und yhm darynn nicht zu weren ist, auch nicht gut were, das mans alles weret: Darumb sollt man denn yhm nicht solche schulen zurichten und solche kunst furlegen? Syntemal es itzt von Gottis gnaden alles also zugerichtet ist, das die kinder mit lust und spiel leren kunden, es seyen sprachen odder ander künst oder historien. 

Sehr aktuell: Noch gestern musste ich mitansehen, wie eine wohlmeinende Mutter mit großer Geduld im Café am Wasserspielplatz mit ihrem Jungen versucht hat, Hausaufgaben zu machen. AUA!!! Am Wasserspielplatz in der Sonne, gegen den Willen des quengelnden und am Ende weinenden Jungen. Wie toll wird er wohl die Matheaufgaben verstanden haben? Was wird aus seiner Einstellung zum Lernen überhaupt werden? Wie toll wird er seine Mutter in diesem Moment finden?

Vielleicht hat Luther dabei auch seine eigene Schulzeit in Erinnerung, die er so beschreibt.

Marter, Hölle und Fegefeuerda wir doch nichts denn eyttel nichts gelernt haben durch so viel steupen, zittern, angst und jamer.

Und wenn man den nächsten Gedanken etwas modifiziert ins moderne Deutsch überträgt, könnte man ihn auch heute noch vielen Schulen auf die Fahne schreiben.

War ists, ehe ich wollt, das hohe schulen und klöster blieben so, wie sie bis her gewesen sind, das keyn ander weyse zu leren und leben sollt fur die jugent gebraucht werden, wöllt ich ehe, das keyn knabe nymer nichts lernte und stum were.

Öffentliche Verantwortung

Für Luther sind die Eltern allein weder interessiert, noch in der Lage, die nötige Bildung zu vermitteln.

der gemeyn man thut hie nichts zu, kans auch nicht, wills auch nicht, weys auch nicht

In der Kirchenhierarchie sieht Luther den Teufel und Antichristen am Werk, also kommt sie auch nicht mehr für die Schulausbildung in Frage.

Bleibt die öffentliche Hand. Luther wendet sich An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes. Er sieht sie in der Verantwortung und fordert sie auf, doch mal etwas Geld locker zu machen und in Schulen und Lehrerausbildung zu investieren.

Lieben herrn, mus man jerlich so viel wenden an büchsen, wege, stege, demme und der gleichen unzelichen stucke mehr, da mit eyne stad zeyttlich fride und gemach habe, Warumb sollt man nicht viel mehr doch auch so viel wenden an die dürfftige arme jugent, das man eynen geschickten man oder zween hielte zu schulmeystern? 

Interessant, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen zu Lehrern ausgebildet werden sollen und dass Luther hier schon beste Schulen, sowohl für Jungen als auch für Mädchen fordert. Klingt das schon nach Gleichberechtigung?

Wenn nu gleich keyn seele were und man der Schulen und Sprachen gar nichts dürffte umb der Schrifft und Gottis willen, So were doch alleyn dise ursach gnugsam, die aller besten schulen beyde fur knaben und meydlin an allen ortten auff zu richten, das die wellt, auch yhren welltlichen stand eusserlich zu halten, doch bedarff seiner geschickter menner und frawen

Theorie und Praxis

Man könnte fast meinen, Luther sei der erste Reformpädagoge gewesen. Aber er wäre nicht Luther, wenn er nicht auch hier voller Widersprüche steckte. Ihm ist da etwas passiert, unter dem noch heute Eltern und Kinder oft zu leiden haben. Unreflektiert werden gerade die Dinge weitergegeben, unter denen man selbst am meisten gelitten hat. Theorie und Praxis klaffen dann weit auseinander. Luther hat an seinen Söhnen wohl nicht nur die Rute zur „Erziehung“ benutzt, sondern er hat auch versucht – wie sein eigener Vater damals – die Laufbahn seiner Söhne vorzuzeichnen. Sein ältester Sohn Hans sollte auf jeden Fall Theologe werden. Luther soll ihm gedroht haben: Wenn du sollst ein jurist werden, so wolt ich dich an einen Galgen hengen. Hans hat offensichtlich – ganz der Papa – nicht auf seinen Vater gehört und ist ein angesehener Jurist geworden.

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